Aktuelles

30.05.2020 – 31.10.2020 Sonderausstellung auf der Empore der Johanniterkirche Mirow

„Stift & Schere“ Gerhard Schneider, Krümmel und „Indigo“ Gaby Klier, Berlin

Neuigkeiten im Johannitermuseum

Der Flügelaltar aus der alten Zirtower Kirche

Wie bereits im letzten Gemeindebrief erwähnt, wird unser Johannitermuseum um ein sehr wertvolles Exponat reicher, das aus der Kirche in Zirtow stammt. Das Dorf Zirtow, bis zum 30jährigen Krieg am Zirtower See gelegen, gehörte seit 1273 zur Johanniterkomturei Mirow, eine Kirche wird dort erstmals 1367 erwähnt, in die um 1500 ein Marienaltar in der Form eines kleinen Flügelaltares eingebaut wurde. Im 30jährigen Krieg wurden sämtliche Häuser des Dorfes abgebrannt, die Kirche blieb übrig, dem Verfall preisgegeben. In den Jahren nach dem Krieg begann man den Aufbau des neuen Dorfes an seiner jetzigen Stelle. 1755 wurde „auf Andringen der Gemeinde,, insbesondere aber des Freischulzen Hans Vetting“ die heutige Kirche erbaut und „notdürftig zum Gottesdienst hergerichtet“. Sie erhielt dann den von 1709 stammenden Altar aus der alten Leussower Kirche, wo bald wieder eine neue Kirche erbaut werden musste. Der vorreformatorische Flügelaltar fand seinen Platz an einer Seitenwand, bis er um 1959/60  im Zuge einer Innenrenovierung der Kirche zu einer Überarbeitung in eine Restaurationswerkstatt gegeben wurde, wobei es im wesentlichen um Reinigung der Holzschnitzereien, d.h. um Entfernung der Farbreste etc. ging. Als im Laufe der siebziger Jahre der Altar nach Mirow zurückkam, wurde er zunächst im Gemeinderaum des Pfarrhauses Mirow aufgestellt, da zu der Zeit unsere ganze bauliche Aufmerksamkeit auf das Rüstzeitheim im Pfarrhof und die Vorbereitung des Orgelbaus in der Kirche gerichtet war.

Ab Mitte der siebziger Jahre hatten wir mehrmals die Gruppe „Lätare“ aus Berlin bei uns zu Gast, drei musizierende Studenten, die Wochenenden für Jugendliche mit Meditationsmusik gestalteten. Die Leitung dieser Gruppe lag in den Händen des Kunststudenten Andreas Wachter, dem wir die „Pieta“ – Bildnis der Maria mit dem Corpus des gekreuzigten Jesus -, in unserem Gemeinderaum verdanken, das er am Sonntag Lätare 1977 unserer Gemeinde schenkte. Ihn interessierte sehr stark der Altar und ihm lag daran, uns zu überzeugen, dass die Restaurierung fortgesetzt werden muss: Dieser Altar ist es wert, mit Blattgold ausgestattet zu werden, was uns unter den damaligen Verhältnissen utopisch erschien. Er bot uns an, in seinem neuen Umfeld – er plante als Kunstmaler in Sachsen zu wirken – sich um die weitere Restaurierung in dieser Richtung zu kümmern. Auf einen Zeitplan konnte er sich nicht festlegen, doch wir vertrauten ihm gern den Altar an, da wir sonst auch keine andere Möglichkeit sahen.

Und dann kamen die auf ihre besondere Art „erfüllten“ letzten Jahre des 20. Jahrhunderts, die uns stark in Anspruch nahmen durch die Entwicklungen zur Wende und uns hier am Ort zusätzlich durch den neu gegründeten Kirchturmverein mit seinen Aktionen, durch die Personalsituation in unserer alten Propstei, durch die Restaurierung unserer beiden Dorfkirchen – bis hin zur Pfarrübergabe im Jahr 2000-. Auf der andern Seite war auch Andreas Wachter in jenen Jahren stark in Anspruch genommen durch den Aufbau seiner Existenz als Kunstmaler in Sachsen und leider auch durch einen schweren Krankheits- und Todesfall in seiner jungen Familie.

Als wir uns dann nach den Jahren der „Funkstille“ in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts wieder einmal sprachen, konnte er mir mitteilen, dass die Restaurierung einen guten Weg genommen hat. Einen neuen Schrein aus altem Holz hat der Restaurator Konrad in Leipzig angefertigt, die Ausstattung mit Blattgold erfolgte durch den Restaurator Unteidig in Grimma. Natürlich sind nun auch die Kosten auf einige Tausend Euro angestiegen. Wenn die Kirchgemeinde Mirow für den Nebenaltar einer Dorfkirche nicht solch einen Betrag geben möchte, wären andere Kirchgemeinden in Mecklenburg bereit, ihn als Hauptaltar in ihrer Gemeinde zu übernehmen. Ich übergab diese Angelegenheit meinem Nachfolger mit der Bitte, eine Entscheidung herbeizuführen. Es kamen dann Jahre mit einigen Bewegungen hier am Ort.

Im Vorjahr, im Sommer 2019 rief mich Andreas Wachter an mit der Ankündigung, dass er nun eine Lösung in der Art herbeiführen will, indem er die Restaurierung des Altars, den ich schon längst in einer anderen Kirche unseres Landes vermutete, sponsern wollte. „Wann kann ich ihn zurückbringen?“ Am 29 August traf er bei uns mit seinem Sohn ein. Bei einer gemütlichen Kaffeerunde, wir hatten unseren 2.KGR–Vorsitzenden Hartwig Grählert dazu gebeten, legte uns A. Wachter dar, dass er mit einigen Leistungen als Kunstmaler den Restauratoren entsprechende Werte geschaffen hat. Hartwig Grählert erklärte dazu, dass wir ihm wenigstens mit einer Spendenbescheinigung unsern Dank zum Ausdruck bringen möchten. Gemeinsam brachten wir den Altar in unser Johannitermuseum, wo er nun seinen Platz finden soll.

Wir sind dankbar, dass wir dieses wertvolle Kunstwerk aus der Johanniterzeit, aus dem Raum unserer Pfarre nun in unserem Turm haben und hoffen, dass wir bald auch wieder mit Touristen auf unserem Turm rechnen können.

Joachim Thal, Pastor i. R.

Mirow, Mai 2020

70 Jahre wiedererbaute Johanniterkirche Mirow

Am 1. Mai 1945  wurde unsere Kirche in den letzten Kriegstagen beim Kampf um Mirow ein Opfer der Flammen. Darüber hat uns Pastor Noack (1935 – 1946 in Mirow) einen Bericht hinterlassen.

Am 3. September 1950 feierte eine große Gemeinde die Einweihung der wiedererbauten Kirche. Davon haben wir Fotos, den Baubericht von Pastor Joneleit, in dem er den Weg des Bauwerkes durch viele Schwierigkeiten in Andeutungen vor Augen stellt. Und wir haben das beachtliche Gotteshaus, inzwischen ergänzt durch die Orgel (1977) und den Erlebniskirchturm  (1993). Eine Kirche die in den letzten Jahren in jeder Saison  von über 15.000 Touristen aufgesucht wird, die der Gemeinde nicht nur Raum für Gottesdienste bietet und die dank seiner Gestaltung durch den besonderen Architekten Paul Zühlke selbst predigt. Dieser wurde unserer Gemeinde praktisch durch seine Flucht aus dem Osten  zugeführt. Er hat diese besondere Innengestaltung nicht nur entworfen, sondern zum größten Teil auch selbst ausgeführt….

Doch beginnen wir bei den ersten gemeinsamen Überlegungen zum Wiederaufbau und schauen in die Kirchgemeinderatsprotokolle der ersten Nachkriegsjahre:

Am 4. März 1946 leitete Pastor Noack seine letzte Kirchgemeinderatssitzung in Mirow, bevor  er nach Röbel ging. In dieser Sitzung wurde beschlossen, ein Konto für den Wiederaufbau der Kirche anzulegen, und zwar mit 5% des  Ertrages der Haussammlung, die die Kirchgemeinde im Dezember 1945 durchgeführt hatte. Mit nur 203,15 RM entschloß man sich auf den Wiederaufbau hinzuarbeiten. Wer sich an den Ausgang des ersten Nachkriegswinters erinnern kann, muß es für eine Kühnheit halten, in solcher Situation an den Wiederaufbau so einer  großen Kirche zu denken. Es soll auch praktische Stimmen in Mirow gegeben haben: „Die Ruine abreißen, aus den Mauersteinen Wohnungen bauen für die hier gelandeten Flüchtlinge und die Vertriebenen aus dem Osten, die noch zu erwarten sind“. Und dagegen diese Kühnheit, oder richtiger: dieser Glaubensmut – angesichts großer materieller Notlage!

Im Juli 1946 wurde Pastor Joneleit in Mirow eingeführt. – Festgottesdienste fanden damals im Saal des „Mecklenburger Hofes“ statt, während man zu normalen Sonntagsgottesdiensten im Pfarrhaus zusammenkam. Kurzzeitig dachte man an eine Zwischenlösung: Zunächst eine Winterkirche in der vom Brand verschonten Fürstengruft. Doch bald kehrte man wieder zur großen Zielstellung zurück: Im Dezember 1946 wurde wieder eine Haussammlung beschlossen, diesmal 100% für den Kirchbau. Im Januar lautete das Ergebnis: 20.000 RM. (Man bedenke dazu. Der Stundenlohn für einen einfachen Arbeiter war damals 0,50 RM !)

In den letzten Wochen des Jahres 1946 hatte man begonnen, – soweit das Wetter es zuließ – zu Arbeitseinsätzen zur Beseitigung des Schuttes aufzurufen, woran sich nicht nur evangelische Gemeindeglieder beteiligten! Nach Ostern´47 wurde sich verstärkt dieser Arbeit gewidmet. Inzwischen hatte man auch begonnen, durch gewagte Kontakte zu sowjetischen Soldaten an notwendiges Holz heranzukommen. Offiziell diente der Einschnitt von Bauholz in jener Zeit in erster Linie den Reparationsleistungen an die Besatzungsmächte. Aber es gelang, dass die Baufirma Rehberg im Frühjahr 1947 mit der Einrüstung beginnen konnte. Da die in der Nachkriegszeit zugewanderten Flüchtlinge das Leben der Gemeinde mehr und mehr stark mitgeprägt haben, beschloß der Kirchgemeinderat im Mai 1947, Herrn Reinhold Matzke und Herrn Jakob Schmitt in den Kirchgemeinderat zu berufen.

Man war bemüht, gegen alle Schwierigkeiten Schritt für Schritt vorzukommen, bis dann im Sommer 1948 die Währungsreform, die die vorhandenen Finanzen auf 10 % zusammenschmelzen ließ, alle Hoffnungen zunichte zu machen drohte. Es wurde beschlossen, die ganze Aktion wenigstens bis zum Richtfest zu bringen. Zu Anfang des Jahres 1949 schien alles zum Stillstand gekommen zu sein. Doch dann gab es in der ersten Jahreshälfte wieder Zeichen der Hoffnung: Das Hilfswerk der Ev. Kirche in Deutschland stellte eine Finanzhilfe von 50.000 RM in Aussicht. In Zirtow konnt ein Architekten für die Innengestaltung gewonnen werden: Paul Zühlke , der als Flüchtling als Tucheln, wo er vor dem Krieg in den Jahren 1936 -1939 eine katholische Kirche erbaut hatte, sich mit seiner Familie als Neubauer niedergelassen hatte. Er war bereit, eine solche Aufgabe auch in Mirow zu übernehmen und erstellte einen Entwurf für die Innengestaltung, der vom Kirchgemeinderat einstimmig angenommen wurde. Im Juni kann im Kirchgemeinderat berichtet werden, dass Herr Zühlke Tonplaketten mit verschiedenen Motiven für die weiteren Spendensammlungen zum Kirchbau in seiner Keramikwerkstatt herzustellen  begonnen hat..

Am 16. Juli1949 wurde das Richtfest mit einem Gottesdienst neben der Kirche begangen..

Im Dezember konnte in der KGR-Sitzung berichtet werden, dass das Hilfswerk 25.000 als Beihilfe und 25.000 als Darlehen überwiesen hat. So konnte vor Wintereinbruch zum Ende des Jahres 1949 die Dacheindeckung vollendet werden.

Dann stellte sich nochmals im Frühjahr 1950 eine Schwierigkeit ein, die überwunden werden musste: Im Rahmen der „progressiven wirtschaftlichen Maßnahmen der jungen DDR“ musste die Baufirma Rehberg in Mirow als Privatfirma ihre Arbeit einstellen. Alle Aufträge zum Weiteraufbau der Kirche mussten nun an die staatliche „Bauunion“ übertragen werden.

Aber es gelang, dass die Kirche am 3. September 1950 mit einem Festgottesdienst wieder eingeweiht werden konnte, in dem Landesbischof Dr. Beste predigte und der von der Berliner Domkantorei, die am Abend dieses Tages in der Kirche noch Händels „Messias“ aufführte,  mitgestaltet wurde.

In der Festversammlung am Nachmittag gab Pastor Joneleit einen Baubericht, in dem er u.a. darauf hinwies, dass man mit ca. 112.000 Mark Baukosten  weit unter dem Kostenvoranschlag für eine behelfsmäßige Kirche (190.000) geblieben ist. Zwar seien noch eine Reihe von Materialkosten zu begleichen, dennoch sei man zuversichtlich. Er dankte sehr herzlich der Opfer- und Einsatzbereitschaft seiner Gemeindeglieder, auch vieler katholischer Brüder und Schwestern- und auch einer Reihe von kirchenfernen Mirowern!

Besonderen Dank sprach er den Handwerksbetrieben aus, die für besondere Leistungen  z.B. Kanzel, Kirchtüren, Altarfußboden, Wandlampen etc.  keine Rechnungen geschickt hatten, vor allem aber dem Architekten Paul Zühlke, der die Innengestaltung der Kirche entworfen, die Ausführung intensiv begleitet – und zum großen Teil – vor allem die künstlerischen Werke – selbst ausgeführt hat. Joneleit verweist besonders auf die Symbolfiguren der Evangelisten „zur Überwindung der großen Flächen vom Schiff zum Altarraum“, links  der Engel für Matthäus und der Löwe für Markus, rechts der Adler für Johannes und der Stier für Lukas und dann die drei Reliefs in der Kanzel –„ Der gute Hirte“, „Der Säemann“  und Der sinkende Petrus“, Arbeiten aus rotem Beton, die er besonders als „Zeichen der guten Gaben würdigt, die Gott in Zühlkes Hände gelegt hat“. Das kleine Foto vom Einweihungsgottesdienst zeigt uns von Zühlkes Werken neben der Kanzel nur noch den Taufbrunnen rechts neben dem Altar. Es fehlte damals bei der Einweihung der Kirche noch die Klinkerwand hinter dem Altar und das  Hochkreuz mit dem von Zühlke geschnitzten Gekreuzigten, das  erst am 2. September 1951 eingeweiht wurde. Damit war dann der Höhepunkt der Botschaft gegeben, die Zühke mit seiner Raumgestaltung in jener Nachkriegszeit vermitteln wollte: Das Kreuz als Lebensbaum. Die Ranken, die man bei alten  Meistern  ins Kreuz hinein geschnitzt finden kann, sind hier in den drei Mittelfenstern des Altarraumes gestaltet. Der Gekreuzigte hängt nicht am Kreuz als Leidender, sondern er steht – wie wir es von romanischen Kreuzen kennen – aufrecht als Überwinder des Todes, zwar nicht mit einer Königskrone, sondern mit einem Glorienschein anstatt der Dornenkrone. Das Kreuz als Lebensbaum, das wird auch durch das farbenprächtige, reich von Symbolen geprägte Mittelfenster unterstrichen. Ganz oben Alpha und Omega, Zeichen  für Anfang und Ende ( vergl. das Christuswort Offbg.  22,13). Darunter sich mehrfach wiederholend der Dreiklang Glaube – Liebe  – Hoffnung,  ( s.1.Kor. 13,13) in den Zeichen Anker – Herz – Kreuz. Wie in den von Zühlke entworfenen Wandlampen, die abwechselnd mit Ähre und Weintraube gestaltet sind, so erinnert er auch im Mittelfenster an das Abendmahl, indem er Ähren strahlenförmig um die Kreuze anordnete und die Herzen mit Weintrauben umgab; und dann weist er auch noch auf das besondere Geheimnis des Abendmahles hin, wenn er einen Kelch unter Herz und Weintrauben stellt.-

Steht man unmittelbar vor dem Altar, dann sieht man auf den ebenfalls von Zühlke geschaffenen drei Fresken  auf der Klinkerwand hinter dem Altar drei Motive aus der Passions- und Ostergeschichte: Gebet in Gethsemane – Grablegung – Ostermorgen: Drei Frauen und ein Engel am leeren Grab.

Hingewiesen sei noch auf die Hagioskope –  kleine Fenster im Altarraum, die Zühlke mit Glasfenstern gestaltete: Hinter dem Altar links: ein Engel mit einer Weintraube, hinter dem Altar rechts: ein Lamm, dessen Blut in den Kelch fließt; auch diese beiden Motive sind Hinweise  auf das Abendmahl. Von den beiden anderen Glasfenstern können wir leider nur noch die Fotos bieten: Im Fenster neben dem Taufstein wiesen das Symbol der Taube (Zeichen  für den Hl. Geist) und des Wassers auf die Taufe hin; das zweite Fenster an der Südwand: Musizierender Engel mit dem Psalmwort :“Singet dem Herrn ein neues Lied“

Die Kirchgemeinde Mirow hat allen Grund , dieser Aufforderung zu folgen, wenn sie sich an das Geschehen vor 70 Jahren erinnert.

Im März 1953 verließ Pastor Joneleit mit Familie Mirow und die DDR.

Im April 1953 verließ Architekt Zühlke mit Familie Mirow und die DDR.

Beide für uns so wichtigen Männer folgten Warnungen vor den Konsequenzen für ihre „Wirtschaftsverbrechen“, beim Wiederaufbau der Kirche wurden nämlich auch Material  von „drüben“ verwendet, welches man in der DDR damals nicht bekam. Leider haben beide ihr Werk nie wieder gesehen.

Joachim Thal Pastor i. R.

August 2020